Mai 16, 2021

MORALISCHE KONSEQUENZEN DER KRISE

Von admin-intdoc

Gedanken und Reaktionen gegenüber Aussagen des Herrn Jean Ziegler und eines Artikels von Renate Graber im ‚Standard‘ 28/29 Mai 2011. Redaktion Romee d´Harambure.

Nach dieser Krise wünscht sich jeder eine Wende zum Besseren. Dieses scheint eher schwierig in die Wege zu leiten. Hierfür fehlen die Strategie und die Mittel, wobei das Ziel selbst auch nicht immer klar erscheint.

Was immer wieder erwähnt wird, sind die großen Boni. Diese sind von der Entwicklung der Aktion abhängig. Es sei, als ob die normale Arbeit nicht honoriert und nur noch für die Aktionäre gearbeitet wird. Die Gehälter sind schon überproportional in guten Stellungen, und das ist auch gut so. Stellt sich die Frage, ob es nicht normal wäre, sich eine gute Arbeit von den Angestellten zu erwarten? Dazu kommt die Frage, ob das Ergebnis nicht auch dank der guten Arbeit aller Angestellten erreicht wird? Wie viele Jahre braucht eine Sekretärin, ohne welche ein Direktor kein Ergebnis hätte, um irgendwann zu einem ähnlichen Betrag zu kommen? Diese Frage wird von den Journalisten immer wieder gestellt, die damit zeigen, dass sie dagegen sind. Sie ist wirksam, dennoch vollkommen falsch gestellt. Nicht das Ungleichgewicht ist in den Vordergrund zu stellen sondern dessen Berechtigung.

Eine Revolution wird nicht kommen. Dafür hat die Mittelschicht zu viel zu verlieren. Um eine Revolution anzustiften, muss jemand Hunger haben oder gegen die Situation revoltieren. Hunger hat fast niemand, und revoltieren können wir nicht mehr, da wir viel zu gemütlich leben. Dafür sorgt ja die Staatliche Umschichtung. Für das Volk muss alles so bleiben, wie es derzeit ist oder wie es in gewissen Ländern immer wieder der Fall ist: der Nachbar muss zahlen. Damit verbreiten sich nur der Egoismus und die Bürokratie. Sehr weit weg vom früheren Kommunismus oder Faschismus ist solch ein Gedanken nicht…

Jahrelang wurde der Staat kritisiert. Es wurde ihm auch verboten, sich einzumischen, damit der Markt allein die Regelung übernimmt. Nur noch einige glauben, der Staat sei gescheiter als der Markt. Aber beide sind inkompetent, meine ich. Der Markt, weil er die Strömungen nur regulativ kontrollieren kann, und der Staat, weil er den Markt nur in der Freiheit belassen kann. Die Kontradiktion ist unser heutiges Los und das Resultat: Armut, Elend, Unsicherheit.

Die ungerechte Verteilung wird Basis aller politischen Gedanken. Diese betrifft nicht nur die Güter, sondern auch die Ressourcen, die Arbeit und deren Erträge. Es wird nur noch von der Schere zwischen Reich und Arm, sowie vom Verschwinden der Mittelklasse gesprochen. Beide Themen sind stabilitätsmäßig und demokratisch nicht wünschenswert. Dazu kommen noch alle notwendigen tiefgreifenden Reformen, um die Exzesse zu stabilisieren, sei es bei Umwelt, Überalterung der Bevölkerung, oder Migration. Die Ergebnisse sind eine Verschiebung der Macht auf größere Einheiten und eine Verschiebung der Produktion in andere Länder.

Fundamentale Reformen sind notwendig. Aber welche? Ziel ist der soziale Zusammenhalt, der als Basis für den Frieden zu bewahren ist. Nur mit Steuererhöhungen eine Lösung zu finden, ist nicht möglich. Die Arbeit mehr zu besteuern, hat zur Folge, dass die Arbeit woandershin geht. Das Gleiche gilt für das Kapital und das Vermögen, denn beide sind beweglich. Was bleibt dann, um das ganze System zu regulieren? Nur die Moral, oder besser gesagt, sogar die Moral. Ein neues Gleichgewicht sollte erfunden werden, um das Konkurrenzdenken nicht zu ersticken.  Einfach ist es nicht, und somit ist auch jede Initiative zu unterstützen, wäre es auch nur im Denken.

Peter Rosei endete einen Artikel im ‚Standard‘ vom 8 Januar 2011 mit folgender Weisheit: Die Zukunft ist in Gottes Hand. Gibt es aber keinen Gott mehr, so naturgemäß auch keine Hand. Nur Rücksichtslosigkeit, Gier und Gewalt bleiben… Schön wäre es wenn jeder nach seinen Fähigkeiten leben und damit auch seine Bedürfnisse befriedigen könnte. Aber was ist, wenn den Bedürfnissen nicht die Fähigkeiten entsprechen? Stellt sich also die Frage, ob die Lösung nur über die Lehre des Buddhismus zu erreichen wäre? Jesus hat befohlen, an Caesar zu geben, was ihm zusteht, allerdings leider nicht, wieviel ihm zusteht. Dafür sollte man aber zu allererst entscheiden, was Caesar zu leisten hat und für wen?

Die Krise ist zu allererst eine moralische Krise. Dass die heutige Wirtschaft auf Profitmaximierung und Kapitalkumulierung beruht, wird nicht widersprochen. Aber beide sind, trotz Nützlichkeit der Ziele, mit moralischen Werten zu ergänzen. Dies erfordert allerdings die Erfindung neuer Systeme, sowohl politisch als auch wirtschaftlich, denn alles ist heutzutage systemisch verbunden. Eine Änderung an einem Ende macht Wellen bis ans andere Ende. Das sieht man ganz besonders bei den großen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Klimawandel, Ausplünderung der natürlichen Reichtümer, nur teils beherrschbare Atomwirtschaft, Aufklärung der Massen etc… Dennoch wissen wir ganz genau, was wir wollen. Nur die Änderung des bestehenden Systems und seine friedliche Anpassung sind unsere Probleme, wenn wir Revolutionen und Brutalität verhindern wollen. Es ist ganz klar, dass wir Kaiser, Könige, Diktatoren und Führer stürzen können, und wir genieren uns auch nicht, es immer wieder zu machen. Dennoch kann sich Demokratie nicht durch einen Umsturz entfalten oder entwickeln. Es erfordert mehr. Weisheit, Bildung, Hoffnung, Respekt und vieles andere, das eigentlich nicht wirklich populär ist. Jedoch was sollen wir in der Demokratie stürzen, und wie lässt sich eine Demokratie organisieren? Diese Fragen sind schon seit Jahrhunderten gestellt worden. Antworten sind allerdings immer noch erwartet. In der Zwischenzeit bleibt uns Indolenz, Ironie, Gleichgültigkeit, vielleicht ein erster Schritt, um Revolution zu vermeiden.